Training in den 1960er Jahren

1. Sequenz: Gruppen-Gehorsamstraining

Das Training der Hunde war in den 1960-er Jahren ganz auf den Schutzhund ausgerichtet. Dabei nahm bei uns im HSVM das Gruppentraining, also das gemeinsame Ausführen von Gehorsamsübungen, eine zentrale Stellung ein.

Was steckte dahinter? Mein Bruder und ich wollten keine Hunde auf dem Platz sehen, die geduckt („dicht über der Grasnarbe“) und gehemmt mit ihrem Führer arbeiten. Das immer gleiche, stumpfe Abspulen von aneinandergereihten Gehorsams-Prüfungsaufgaben im Einzel-training gab es bei uns nicht. Um den Hund nicht „totzulaufen“, wurden pro Übungseinheit im Einzeltraining nur einige wenige vom Übungsleiter ausgewählte Prüfungsbestandteile (meist Schwachstellen) gezielt trainiert. Erst vier Wochen vor der Prüfung kam es zur Verkettung der einzelnen Teile (bei zwei- bis dreimaligem Komplettdurchlauf) zum Gesamtbild des SchH-Gehorsams.

Ein weiterer Vorteil des Gruppengehorsams: Im Gruppentraining wurden wohl auch die einzelnen Gehorsams-Prüfungselemente wie Leinenführigkeit, Sitz und Platz bei abwechslungsreichem Figurenlaufen eingeübt. Die rechts und links neben dem Team laufenden Gespanne sorgten beim gemeinsamen Tun für Auflockerung. Und der Hund lernte die Gehorsamselemente auch bei starker Ablenkung auszuführen. Das Trainingskonzept Gruppe/Einzel hat sich bewährt, die SchH-Durchfallquote lag nahe Null.

Man beachte: Neben den drei Gebrauchshunden (2 Boxer, 1 Dobermann) eine Führerin mit einer Deutschen Dogge. Die Ausbildungsschritte der Dogge, sie war ein „Sensibelchen“, liefen mit den Schutzhunden ab. So nebenbei: Der riesige Hund wurde ab und an in Max Arnolds winzigem Goggomobil auf den Hundesportplatz gebracht.

Und weiter: Am unteren Bildrand ist kurz ein kleines Kind zu sehen, das einen Kleinhund an der Leine führt und es offensichtlich den „Alten“ nachmachen will. Diese Szene verdeutlicht: Ablenkungen waren für uns hinnehmbar, ja erwünscht. Der Übungsplatz wurde also von störenden Ablenkungen nicht freigehalten. Andernorts war dies damals undenkbar.

Zur Kleidung: Zu jener Zeit trug man auf den Hundesportplätzen „herabgestufte“ Straßen-kleidung (Jacken, Hosen). Gummistiefel waren zu jener Zeit das Standard-Schuhwerk für alle Hundeführer. Schon deshalb, weil zuvor auf Wiesen und Feldern die Fährtenarbeit auf dem Programm stand. Das Gesamtbild war also wenig sportlich. Erst nach Einführung des THS (bedingt durch die jetzt raschen Aktionen im Zusammenspiel mit dem Hund) hielt nach und nach Sportkleidung (Sportschuhe, Vereins-Trainings-Jacke und -Hose sowie Vereins-TShirt) auf dem Platz Einzug.

2. Sequenz:  Sprung über Meterhürde

Die Geräte der 1960-er Jahre (Meterhürde, Kletterwand) wurden alle in Eigenfertigung erstellt. Beim HSVM kam eine transportable Meterhürde in Einsatz, durch einschiebbare Bretter in der Höhe verstellbar. Bei den meisten Vereinen war sie an einem festen Standort einbetoniert. Die mobile Hürde hatte den Vorteil, dass beim Training der Standort gewechselt werden konnte; sie konnte auch dem Rasenmäher aus dem Wege geräumt werden. 

Wie man sieht, wurde der Hürdensprung auch in die Gruppenarbeit eingebaut. Über die Höhe machte man sich wenig Gedanken, die Hunde hatten den Metersprung einfach „drin“. Auf Spaziergängen beschäftigten wir unsere Boxer so ganz nebenbei mit dem Sprung auf die Krone von Weinbergmauern unterschiedlichster Höhe. Überlegungen, ob dies dem Knochenaufbau des Hundes schadet, kamen bei uns damals nicht auf.

Das Thema Gesundheit der Rassehunde bewegt mich immer mehr. Leider kenne ich allzu viele Sportfreundinnen und Sportfreunde, die tief betrübt sind, dass sie mit Rücksicht auf die Gesundheit ihres Rassehundes nicht mehr am Sport teilnehmen können. Die gleiche Erscheinung ist auch bei den Mischlingshunden zu beobachten. Schäden am Bewegungsapparat, Immunschwächen und Allergien sind nicht zu übersehen. Quer durch alle Arten. Waren wir früher blind und wollten Krankheiten einfach nicht wahrhaben? Der Besuch beim Tierarzt beschränkte sich aufs Impfen.

3. Sequenz:  Apportieren über die Kletterwand

Die Kletterwand (Steilwand) hatte einen festen Standort auf dem Hundesportplatz. In ein-betonierte U-Schienen konnten Bretter eingeschoben werden. Sie war so in der Höhe, wie die HSVM-Meterhürde, verstellbar. Kletterhöhe bei Prüfungen: SchH II 1,60 m, SchH III 1,80 m. In Höfingen und Wilferdingen erlebte ich bei Vereinsfesten weit höhere Klettersprünge (ähnlich dem früheren Mächtigkeitsspringen bei den Reitern). Der Wettbewerb ging zur Freude der Zuschauer bis in die Höhe von 2,40 Meter.

In der Prüfung hatte der Hund über die Kletterwand einen vom Hundeführer über das Gerät  geworfenen Gegenstand im Rücksprung zu bringen. Zwei Boxer sind im Film zu sehen.

Beim ersten Boxer werden die Ergebnisse einer statische Übungsausführung deutlich. Der Hund hat Probleme beim Rücksprung, was durchaus üblich bei falsch angelegtem Training war (das Herrchen war nämlich hinter der Wand für den Hund nicht einsehbar, der Vierbeiner musste ohne Führerhilfen die Aufgabe selbständig lösen).

Unser Carlo war anders konditioniert (Hund 2). Im Training kam häufig ein Beutespielzeug zum Einsatz und damit Freude am Zusammenspiel. Das brachte Antrieb. Carlo holte fix und sicher „seine Beute“ und wurde hierfür mit positiven Bestärkungen belohnt. Beim Apportieren über die Wand holte er stets die volle Punktzahl. Für den Normalhundeführer dieser Zeit eine vollkommen unbekannte Trainings-Vorgehensweise.

[Quelle: Frühe und bewegte Hundesportjahre – Eine ganz persönliche Betrachtung | Hans Heidinger, 2014]