Lösungsansätze zum Meideverhalten

Was der eine Vierbeiner lässig wegsteckt, flößt dem anderen schlagartig panische Angst ein und löst ein Meideverhalten aus. Gründe für das der Leistung nicht gerade förderliche Verhalten wurden in den Grundsätzen zum Meideverhalten zuhauf angeführt. Ein weiterer Auslöser kann durchaus auch in der Art des Hundes liegen. Sensibel reagierende Hundearten, wie beispielsweise Berger des Pyrénées, stecken Negativ-Erlebnisse nicht so lässig weg, wie z.B. „Rambo“-Arten aus Richtung der verschiedenen Terrier-Varietäten oder aus der Gebrauchshundezucht. Zunächst generell auf das Problem „Meideverhalten an THS-Geräten“ eingegangen. Nun sollen eine Fülle von Ursachen aufgelistet und die zur Schadensbegrenzung empfohlenen Lösungsansätze aufgezeigt werden.

Die nachfolgend beschriebenen Korrekturschritte – und hier speziell in besonders gravierenden Fällen von Meideverhalten – sind nicht auf eine Übungsstunde zu bündeln, sondern müssen zeitlich unbedingt gestreckt, also auf mehrere Trainingseinheiten verteilt werden. Die Prämisse lautet auch hier: Den Hund des raschen Erfolges wegen nicht überfordern; ihm also Zeit geben, das Ganze in seinem Kopf zu verarbeiten. Eine durchdachte Korrektur ist u.U. die letzte Chance, eine nachhaltig  wirkende Besserung zu erreichen.

Problem erkannt – Problem gebannt

Nun zu einzelnen Beispiel-Geräten aus der Turnierbahn. Hier gehe ich mit meinen Empfehlungen zum Abbau des Meideverhaltens vom schlimmst möglichen Betriebsunfall aus, der totalen Verweigerung eines oder mehrerer der 8 Hindernisse in der 75 Meter langen Turnierbahn. Und nochmals zur Einprägung: Jeder gelungene Teilschritt wird mit einer „großen Belohnung“ (Futter, Spiel) abgeschlossen. Ganz wichtig: Pausen zwischen den einzelnen Korrekturschritten einlegen, dann wieder Spannung beim Hund aufbauen und die entsprechende  Übung einleiten. 

Gerät „Hürde“ (100 cm breit, 50/60 cm hoch)
Mögliche Auslöser:
Hürde war für den aktuellen Ausbildungsstand des Hundes zu hoch aufgebaut; „Alex“ ist mit der vorgegebenen Höhe noch überfordert. Hund geht Gerät zögerlich an. Hund schlägt Vorderpfoten oder das Knie der Hinterhand an eckiger Kante der Hürde an. Leine verfängt sich an der Hürde. HF ist ungeschickt und rempelt versehentlich seinen Hund an oder tritt ihn (unbeabsichtigt) auf die Pfoten. 

Gegenkonditionierung:

  • Hürde aus der Turnierbahn nehmen. Neuer Aufstellplatz für die Korrektur ca. 25 Meter von der Turnierbahn entfernt. In gravierenden Fällen von Meideverhalten mit Gerät sogar auf anderen Platz ausweichen. Der Grund: Ein sensibler Hund stellt zwischen dem Ort des Auslösers und dem Auslöser selbst eine Verknüpfung her. Deshalb zur Prophylaxe Ortswechsel vornehmen.
  • Hürde sehr nieder stellen (10 bis 20 cm Sprunghöhe genügen). HF springt zusammen mit seinem angeleinten Hund und in kontrolliertem (reduziertem) Tempo über die Hürde.
  • Sitzt dieser Schritt sicher, dann mit abgeleintem Hund Übung wie zuvor beschrieben ausführen.
  • HF nimmt Hund nun wieder an die Leine und lässt ihn alleine die Hürde überspringen.
  • Hat sich das Überspringen der nieder gestellten Hürde wieder gefestigt, dann Hürde jeweils in 10-cm-Schritten erhöhen. Bei jeder Erhöhung unbedingt wie bei den zuvor beschriebenen Korrekturschritten vorgehen.
  • Evtl. je ein weiteres, einfach zu springendes Hindernis vor und nach dem Korrekturgerät einbauen. Am besten „Lieblings-Geräte“ des Hundes verwenden.
  • Nun nieder gestellte Hürde an beliebiger Stelle in die Turnierbahn stellen (z.B. zwischen Tunnel und Laufdiel). Mit eingangs beschriebenen Teilschritten weiter vorgehen. Hürde sukzessive erhöhen.
  • Hürde erst jetzt an den in der TO vorgegebenen Platz (Turnierbahn Nr. 1 und 8) stellen. Höhe zunächst nur 20 cm, dann je nach Nervenlage des Hundes schrittweise auf volle Höhe bringen. Zunächst die Hürde am Start erhöhen (hier ist der HF in jedem Falle noch auf der Laufhöhe des Hundes), dann erst die Hürde vor dem Zieleinlauf.
  • Ist das Nehmen des Hindernisses nach all den Teilschritten wieder gefestigt, dann in Stufen wieder auf volles Wettkampf-Tempo gehen.
  • Empfehlung: Kante des obersten Brettes abrunden

Gerät „Laufdiel“ (40 cm breit, 450 cm lang, 65 cm hoch, Schrägauflauf und Schrägablauf)

Mögliche Auslöser:
Laufdiel steht nicht sicher (wackelt, Hund springt/stürzt vom Diel ab). HF kann dem Tempo seines angeleinten Hundes nicht folgen; Hund wird deshalb durch den HF seitlich vom Diel gezerrt/gerissen. Leine verfängt sich am Laufdiel; Hund wird ruckartig vom Gerät gerissen. Laufdiel wird zu schnell angegangen; Hund springt/stürzt ab. Vorgeschriebener Belag ist nicht mehr griffig oder stark schadhaft (ist häufig durch Witterungseinflüsse lose, einzelne Lappen des Belages hängen weg); Hund verliert auf dem Diel den Halt. Hund geht den Laufdiel schräg an und kann bei dem eingeschlagenen Tempo sich nicht selbst korrigieren und springt schräg ab.

Gegenkonditionierung:

  • Laufdiel aus der Turnierbahn nehmen. Neuer Aufstellplatz für die Korrektur ca. 25 Meter von der Turnierbahn entfernt, u.U. mit Gerät sogar auf anderen Platz ausweichen (ist jedoch bei der Größe des Gerätes reichlich umständlich, ein Ortswechsel ist in kniffligen Fällen jedoch der Mühe wert).
  • HF nimmt Hund an Leine und lässt ihn in gedrosseltem Tempo über den Laufdiel gehen. Zögert er beim Auflauf zum Diel, dann verstärkt mit Leckerle oder Beutespielzeug (MO) arbeiten.
  • Anschließend Hund ableinen und über den Laufdiel gehen lassen. Beide Richtungen wechselnd üben.
  • Als vertrauensbildende Maßnahme Hund auf Diel anhalten lassen („Steh“ oder „Sitz“), „Alex“ mit beruhigender Stimme ansprechen. HF entfernt sich ca. 5 bis 10 Schritte von Diel, lässt also „Alex“ alleine auf dem Diel verweilen. Abgang dann mit  lobender  Stimmlage einleiten und begleiten.
  • Ausführungs-Tempo allmählich steigern.
  • Jetzt Laufdiel wie unter „Hürde“ beschrieben wieder in Turnierbahn einfügen und die Schritte der Gegenkonditionierung wiederholen.

Gerät „Hoch-Weit-Sprung“ (100 cm breit, 35 cm hoch, 100 cm weit)
Neben der Treppe ist der Hoch-Weit-Sprung wohl das komplexeste Gerät in der Turnierbahn und bedarf der besonderen ausbilderischen Aufmerksamkeit, um schon beim Anfängerhund ein Meiden erst gar nicht aufkommen zu lassen.

Mögliche Auslöser:
Mit dem Einüben des Hoch-Weit-Sprungs wurde zu früh begonnen. Zu rasche Steigerung des Ausführungstempos; Hund ist zu diesem Zeitpunkt mit der Höhe und Weite des Gerätes noch überfordert. Hund verschätzt sich beim Sprung und schlägt mit der Vorhand eine Stange weg; Hund fällt in die aufgelegten Stangen oder bekommt eine Stange zwischen die Hinterhand. Schreckmoment durch umfallende Pylonen. Hund unterläuft die aufgelegten Stangen und wirft sie mit dem Rücken ab, gerät dabei in Panik.

Gegenkonditionierung:

  • Hoch-Weit-Sprung aus der Turnierbahn nehmen. Neuer Aufstellplatz für die Korrektur ca. 25 Meter von der Turnierbahn entfernt, u.U. mit Gerät auf anderen Platz ausweichen.
  • Zunächst nur die vier Auflagepylonen aufstellen. HF geht mit seinem angeleinten Hund zwischen den Pylonen hindurch. Das Gleiche wird mit dem frei laufenden Hund wiederholt.
  • Beim Hoch-Weit-Sprung zunächst nur eine Stange auf niederer Höhe auflegen (10 bis 20 cm Sprunghöhe genügen). HF springt zusammen mit seinem angeleinten Hund über die Stange.
  • Hund ableinen und Übung wie zuvor ausführen.
  • HF nimmt Hund wieder an Leine und lässt ihn alleine über die Stange springen.
  • Nun zweites Pylonenpaar in der Weite von ca. 30 cm zum ersten Paar aufstellen und zweite Stange auflegen.
  • Hat sich das Überspringen des nieder gestellten Hoch-Weit-Sprunges beim Hund wieder gefestigt, dann Gerät jeweils in 5-cm-Schritten erhöhen. Auch der Abstand der erste Stange zur zweiten Stange kann vergrößert werden. Bei jeder Erhöhung oder Weitenvergrößerung die Übung wie bei den vorhergehenden Korrekturschritten ausführen.
  • Hoch-Weit-Sprung zwischen „Lieblingsgeräte“ des Hundes in Turnierbahn stellen (z.B. zwischen Laufdiel und Fass) und mit den eingangs beschrieben Teilschritten weiter vorgehen. Hoch-Weit-Sprung sukzessive erhöhen/erweitern.
  • Hoch-Weit-Sprung wieder an den in der TO vorgegebenen Platz (Nr. 7 der Turnierbahn) stellen. Sprunghöhe zunächst nur 20 cm, Weite 50 cm, je nach Nervenlage des Hundes schrittweise auf volle Höhe und Weite bringen.
  • Es empfiehlt sich, zunächst nur drei Hindernisse der Turnierbahn (z.B. Tonne, Hoch-Weit, Hürde)  mit angeleintem Hund, dann frei, zu laufen, da sich der HF in jedem Falle noch auf der Höhe seines Hundes bewegt. Der HF kann so besser mit ihm durch Hörzeichen und in Verbindung mit seiner Körpersprache kommunizieren.
  • Erst wenn die Korrekturschritte zuverlässig gefestigt sind, wieder komplette Turnierbahn laufen. Tempo zunächst 60 Prozent. Die lustvolle Verkettung der Gerätefolge wird beim Hund .gefestigt. Dann den Lauf abgestuft im Tempo steigern.
  • Beim Thema „Unterlaufen der aufgelegten Stangen“ vor das  erste und zweite Pylonenpaar jeweils ein ca. 20 cm hohes Brett stellen und damit den „Durchschlupf“ schließen. In Weite und Höhe auf die Problemstellung des Einzelfalls abgestimmt üben.

Gerät „Treppe“ (100 cm breit, 100 cm hoch, Auf- und Abgang je 5 Stufen) | seit der PO 2013 wurde dieses Gerät in eine A-Wand modifiziert

Die Treppe ist besonders für den Junghund mit äußerster Vorsicht einzuüben. Ich persönlich beginne das Training an der Treppe erst, wenn mein Hund in seinem Gebäude gefestigt ist – vor dem Alter von 15 Monaten darf er ja lt. Turnierordnung sowieso an keinem Turnier teilnehmen –  ein ordentliches Maß an Sprungvermögen aufweist und selbstbewusst auftritt. Das Ausbildungsziel ist doch, dass „Alex“ später bei Wettkämpfen in vollem Lauf auf die obere Treppenplattform springt, sich dann beim Sprung von der Treppe abstößt und durch diese Technik sich Tempovorteile verschafft.

In seltenen Fällen nimmt der Hund die Treppe sogar im Freisprung, was aber keine Zeitvorteile gegenüber der zuvor beschriebenen Technik mit sich bringt. Und dennoch, bei aller Vorsicht, ist bei Hindernislauf-Turnieren immer wieder ein Auslassen oder zögerliches Nehmen der Treppe zu beobachten. Wie korrigiere ich also das Meideverhalten an der Treppe?

Mögliche Auslöser:

Mit Einüben der Treppe wurde zu früh begonnen. Meideverhalten wurde durch Fehler beim Anlernen ausgelöst und „schaukelt“ sich fast unmerklich hoch. Leine verfängt sich an Treppenstufe und Hund bekommt so einen harten Ruck, stürzt dadurch u.U. von Treppe; Hund schlägt Pfoten an eine Treppenkante; Hund läuft Treppe zu schnell an und bekommt „Angst vor der eigenen Courage“ oder schätzt bei dem eingeschlagenen Tempo den Sprung auf die obere Treppenplattform falsch ein, der Sprung misslingt so in seinem Ablauf. Der rutschfeste Belag der Treppe ist schadhaft oder fehlt gar.

Gegenkonditionierung:

  • Treppe aus der Turnierbahn nehmen. Neuer Aufstellplatz für die Korrektur ca. 25 Meter von der Turnierbahn entfernt, u.U. mit Gerät sogar auf anderen Platz ausweichen.
  • HF geht zusammen mit seinem angeleinten Hund  über die Treppe. Gibt „Alex“ durch die direkte Verbindung zu seinem HF und den teamorientierten Mitmacheffekt Sicherheit. Anschließend Hund ableinen und Übung wie zuvor beschrieben ausführen.
  • HF nimmt Hund wieder an Leine und lässt ihn in ruhigem Tempo alleine über die Treppe gehen. Anschließend Hund ableinen und alleine über die Treppe gehen lassen. Beide Richtungen üben.
  • Als „vertrauensbildende Maßnahme“ Hund auf Treppenplattform anhalten lassen („Steh“ oder „Sitz“), „Alex“ mit beruhigender Stimme ansprechen.
  • Treppen-Abgang mit hoher, lobender  Stimmlage einleiten und begleiten.
  • Tempo allmählich steigern.
  • Bei Hunden mit sehr gutem Sprungvermögen Teppich über die Stufen der Aufsprungseite legen und den Hund mit ca. 80 Prozent Turniertempo den Sprung auf die obere Treppenplattform ausführen lassen.
  • Sitzt der Sprung sicher, dann Teppich von Stufen nehmen und Sprung wie zuvor ausführen lassen.
  • Bei Hunden mit geringerer Sprungkraft oder Koordinationsschwierigkeiten beim Sprung, gebe ich mich mit dem Aufsetzen auf den Stufen der Aufsprungseite zufrieden. Das Gleiche gilt für den Treppenabgang.  
  • Jetzt Treppe wie unter „Hürde“ beschrieben wieder in Turnierbahn einfügen und die Schritte der Gegenkonditionierung wiederholen.

Komplette Turnierbahn und volles Tempo erst laufen, wenn das Nehmen der Treppe in kleinen Geräte-Kombinationen (Reihung von ca. 3 bis 4 Hindernissen) problemlos sitzt. „Lieblingsgeräte“ des Hundes vor und hinter die Treppe stellen.

Es bedarf zur Behebung oder Minderung der Hemmungen des Hundes beim Lauf über die THS-Geräte viel Geduld und erfordert fachlich fundiertes Vorgehen. Die in intensiver Teamarbeit von HF und Trainer erarbeiteten Lösungsansätze führen mit hoher Wahrscheinlichkeit zum Ziel. Der u.U. enorme Zeitaufwand zahlt sich aus. Das Ergebnis: Nach einiger Zeit ist „Alex“ wieder der Turnierhund, wie ihn alle kennen und lieben. Ungehemmt, lern- und leistungsbereit, einfach ein Siegertyp. Packen wir also diese ausbilderische Herausforderung zur Eingrenzung von Meideverhalten entschlossen und mit viel Sachverstand an

(Ausführungen Hans Heidinger)