Grundsätze zum Meideverhalten

Wer kennt sie nicht, die kleinen und die ganz großen Probleme, die eine Menge Frust für das Team Mensch/Hund im Trainingsgeschehen und im Wettkampf mit sich bringen. In unserem Falle die Frustrations-Ursache „Meideverhalten des Hundes an den THS-Geräten“. Nicht wenige Aktive kennen diese unglückliche, leistungsmindernde Erscheinung aus eigener Erfahrung oder vom Zusehen bei anderen Teams.

„Kleine Probleme“ erkenntlich durch das etwas gehemmte Ausführen einer Geräteübung oder „ganz große Probleme“ bei einer absoluten Verweigerungshaltung: Wenn „Alex“  das betreffende Gerät nur schon von weitem sieht, ist er nicht mehr der Kerl, so wie ihn sein Teamführer Mensch und die Trainingsgruppe kennen. In ganz schlimmen Fällen sucht der Hund sogar sein Heil in der Flucht. Meideverhalten zeigt also ein Hund, wenn eine bestimmte Handlung von ihm erwartet (verlangt) wird, vor der er schlicht und einfach Angst hat. Gefestigtes Meideverhalten kann in manchen Fällen sogar irreversibel sein.

Ein Meideverhalten kann sich ganz allmählich, also schleichend, aufbauen und festigen. Im Gegensatz hierzu steht in nicht wenigen Fällen eine missglückte Ausbildungshandlung. Durch die damit einhergehenden, dem Hund Angst einflößenden Schreckmomente, wird ein Meiden „ruck-zuck“ ausgelöst. Da nützt zur Behebung kein „weiter so“ oder der Glaube an Selbstheilungskräfte. Es muss vielmehr sofort nach der Meide-Auslösung entschlossen der unguten, den Spaß verderbenden Entwicklung durch wohl durchdachte und in sich schlüssige Maßnahmen entgegen gesteuert werden.

Als ersten Schritt zur Behebung eines sich abzeichnenden oder gar schon gefestigten Meideverhaltens ist eine Analyse vorzunehmen mit der Fragestellung: „Was war der traumatische Auslöser“. Ich suche also den Grund für das Meideverhalten. Als zweiter Schritt sind dann Überlegungen anzustellen in die Richtung „Was kann ich tun, um eine rasche, nachhaltig wirkende Besserung herbeizuführen“. Und schlussendlich als dritten und entscheidenden Schritt ­– der sich in der Regel aus vielen, oft winzigen Teilschritten zusammensetzen kann –  die u.U. sehr zeitaufwändige und viel Geduld erfordernde Gegenkonditionierung in der Praxis. Und das natürlich im Zusammenwirken mit dem Trainer, der viele Fakten der Fehlentwicklung weit objektiver wahrnimmt, als ich mit meiner von Emotionen getragener subjektiven Sichtweise.

Wenn ich aber die Gründe für das Meideverhalten aus dem Trainingsgeschehen her gar nicht kenne, was ist dann zu tun? Natürlich wieder den Trainer zu Rate ziehen, besonders wenn er das Team schon längerer Zeit betreut, und evtl. im Zusammenwirken mit weiteren erfahrenen Trainern die Ursache suchen. Vielfach hilft auch ein Besuch beim Tierarzt, der „Alex“ gründlich unter die Lupe nimmt. Nur ein in seinem Bewegungsapparat oder organisch gesunder Hund ist im Training und im Wettkampf voll belastbar und damit leistungsfähig. Körperliche Handikaps können also auch ein manchmal unerklärliches Meideverhalten auslösen. 

„Viele Wege führen nach Rom“:
Erfolgversprechende Vorgehensweisen

Exemplarisch sollen am Beispiel von Geräten des Hindernislaufes Lösungsvorschläge zur Durchbrechung des Teufelskreises „Meideverhalten“ aufgezeigt werden: Die „Hürde“, der „Laufdiel“, die „Treppe“ sowie als komplexestes Gerät, der „Hoch-Weit-Sprung“. Diese Geräte bieten sich hierfür durch ihre unterschiedlichen Schwierigkeitsgrade an. Die beschriebenen Schritte sind in abgewandelter Form auf jedes weitere THS-Gerät, auch die des Hürdenlaufes sowie der „CSC“- und „QSC“-Hindernisse, zu übertragen.

Zunächst soll auf das Basistraining „Anlernen an den Geräten der Turnierbahn“ nochmals eingegangen werden. (Siehe Veröffentlichungen in ´Hunde-Welt´, Heft 03/2001 ff. sowie Broschüren ´Mit System trainieren` und ´Auf dem Weg zum Team´ von Albrecht Heidinger.) Die ausführlich geschilderten Teilschritte-Empfehlungen sind auch als vorbeugende Maßnahmen gegen ein Meideverhalten beim Anlernen und späteren leistungsbezogenen Training zu werten. Viele der in den Zeitschriften und den Broschüren angesprochenen generellen Aspekte dieses Geräte-Grundlagentrainings können für das Mindern oder Beheben des Meideverhaltens hilfreich sein. Ein Auszug aus der Auflistung:

  • Über allem verständlichem Trainingseifer – und hier insbesondere bei Korrekturhandlungen – steht die Rücksichtnahme auf die (Wohl)Befindlichkeit des Hundes und der Respekt vor dem Mitgeschöpf Hund. Leitlinie für alle Ausbildungshandlungen sind die „Ethische Grundsätze für die Ausbildung von Hunden und den Sport mit dem Hund“, die deutschlandweit in den Vereinen des dhv Gültigkeit haben. Merke: Blinder Ehrgeiz führt zu nichts, er führt in eine ausbilderische Sackgasse.
  • Niemals den Hund zu etwas ihm Unbekanntem zwingen. Alle Übungen müssen vom Hund freiwillig und mit Spaß (seine Körpersprache zeigt dies an) ausgeführt werden. Wir setzen auf positive Verstärkung beim Gerätetraining
  • Das „Handwerkszeug“ des/der Hundeführers/in (HF) muss stimmen: Trainer passt auf, ob der HF das zweckmäßige Halsband, die geeignete Leine (sollte „glatt“ sein, also keine Ringe und zusätzlichen Karabiner aufweisen, durch die sich die Leine an den Geräten verhaken kann), zudem schmackhafte, weiche Leckerle, zünftiges Spielzeug/MO und griffsichere Sportschuhe mit sich führt.
  • Ein wichtiger Fakt für die Korrekturhandlungen ist die vorherige Kontrolle, ob die Geräte in baulich einwandfreiem Zustand sind.
  • Instabil („wackelig“) aufgestellte und schadhafte Hindernisse sind mit die Hauptursachen für ein Meideverhalten an den Geräten.
  • Als HF äußerst aktiv sein, dem Hund die „Erlebniswelt Gerätetraining“ durch positiv angelegte Ausbildungsschritte erschließen.
  • Das Timing von Hörzeichenstruktur, der positiven Motivation und der Ausführung der gestellten Aufgabe müssen bei allen Ausbildungshandlungen möglichst perfekt sein (punktgenau erfolgen).
  • Mit dem Hund sprechen, Stimme entsprechend der Ausbildungshandlung modulieren, Leckerle, MO oder gesprochenes Lob situationsgereht einsetzen.
  • Vorbehaltlos mit dem Hund kommunizieren. Sich auf die Ebene des Hundes herabbegeben.
  • Sicherheit der Übungsausführung geht absolut vor Schnelligkeit. Also Tempo reduzieren, den augenblicklichen Möglichkeiten des Hundes anpassen.
  • Evtl. Negativ-Erfahrungen ignorieren, „fröhlich“ weitermachen. Hund durch ihm vertraute und geleibte Motivationsübungen auflockern; ihn also nicht „bedauern“. Er vergisst dann sehr rasch das Negativerlebnis (gilt natürlich nicht bei evtl. Verletzungen, die ärztliche Betreuung erfordern).

Generelle Empfehlungen

Der HF muss für Korrekturhandlungen seine Nerven (Emotionen) unter Kontrolle haben. Besonders in Extremsituationen darf er nicht überreagieren, sondern zuerst über den/die Auslöser des Fehlverhaltens nachdenken und dann handeln (Korrektur vornehmen). Korrekturschritte analog den Ausbildungsteilschritten ableiten. Lieber zwei bis drei Ausbildungsteilschritte zurückgehen und dadurch wieder Vertrauen schaffen, als auf fehlerhaftem Stand weitertrainieren. Bei seinem Lauf darf der HF – und das besonders beim Anfängerhund – niemals den Abstand zwischen sich und dem einzuübenden Gerät in der Turnierbahn zu weit öffnen. Bei zu großem Abstand nimmt der Hund die Lücke zwischen Gerät und HF wahr und betrachtet die Lauflinie des HF als eine Einladung zum Auslassen des betreffenden, im Ausbildungsschritt noch etwas unsicher sitzenden Gerätes. Merke: Der HF schließt mit seinem Körper (auch unter Einsatz der Körpersprache) im Lauf die Lücke zum Gerät und läuft in der Turnierbahn dicht am jeweiligen Hindernis vorbei. Selbstverständlich ist jede gelungene Korrekturhandlung mit „großem Lob“ (Leckerle, Beute, Worte, Körperspiel) positiv besetzt zu beenden.

(Ausführungen Hans Heidinger)