Den S-VK als Mehrkampf verstehen

Mehrkämpfe haben die Eigenheit, dass unterschiedliche Anforderungen trainiert werden müssen. Wenn ich mir über ein idealtypisches Training für den S-VK Gedanken mache, dann komme ich auf vier Schwerpunkte mit insgesamt 11 Teilbereichen:

  • Training der Laufdisziplinen mit Hund für den Hürden-, Slalom- und Hindernislauf
  • Schnelligkeitstraining mit Koordination, Schnelligkeit und Kraft sowie Hürdentechnik für den Hundeführer
  • CaniCross-Training (Hund läuft im Zug mit Hundeführer) sowie reines Zugtraining für den Hund (Bikejöring, Dogscooter)
  • Unspezifische, aerobe Dauerläufe in niedriger Intensität (sog. I1-Läufe) sowie spezifische Ausdauer mit anaerob-laktazide Belastungen (sog. I3-Läufe) für den Hundeführer

Selbst unter Profibedingungen wäre es kaum möglich, alle Bereiche gleich gut abzudecken. Dafür hat die Woche einfach zu wenig Tage. Das macht deutlich, dass ein Mehrkampftraining immer aus Kompromissen besteht und Schwerpunkte gesetzt werden müssen.

Auch wenn es Überschneidungen gibt und Dinge nicht schwarzweiß gesehen werden können, gibt es innerhalb dieser Teilbereiche trotzdem eine klare Priorisierung. Für die Stadiondisziplinen sehen die wie folgt aus:

  • Zuerst kommt die Sicherheit des Hundes in den Laufdisziplinen. Das ist mit Abstand der größte Stellhebel. Fehlerpunkte sind unheimlich teuer, aber auch ein reduziertes Tempo, damit der Hund sicher läuft, kann sich summieren.
  • Bei der Optimierung der Hürdentechnik und der Laufwege geht es als nächstes darum, die Fähigkeiten, die der Hundeführer mitbringt zu festigen und auszureizen. Je höher das Tempo wird, desto wichtiger wird dieser Aspekt. Allerdings ist es ein großer Unterschied in der Lauftechnik, ob der Slalomlauf beispielsweise unter 19, 17 oder 15 Sekunden gelaufen werden soll. Im ersten Fall kann man nicht viel falsch machen, im letzten Fall ist die Lauftechnik essentiell.
    Wichtig: Das ist Übergang zu einem leistungsorientierten Training, weil es darum geht, auch die Leistungsfähigkeit des Menschen zu verbessern.
  • Als letztes kommt die Verbesserung der Sprintfähigkeit. Spätestens hier sind wir im Leistungssport, weil das Training ergänzend zum Training mit dem Hund erfolgt.

Zur Verdeutlichung ein Beispiel einer Seniorensportlerin aus meiner Trainingsgruppe: Sie war bereits in der AK 61 und ihr Hund lief [im VK] perfekt mit. Bei ihrem – im Vergleich zu 40 Jahre jüngeren Athleten – relativ niedrigen Tempo konnte wir in der Hürden- und Lauftechnik kaum noch etwas verbessern. Sie ging aber regelmäßig in das Leichtathletiktraining und erreichte durch ihre verbesserte Sprintfähigkeit eine Steigerung um rund drei Laufpunkte.

Je höher das Tempo wird, desto entscheidender ist die Lauftechnik. Bei Senioren sehe ich deshalb eher eine Verbesserung im Sprint im Fokus als ein dezidiertes Techniktraining.

Eine andere Situation spiegelte sich bei Leandro wider. Er brachte schon eine sehr gute Grundschnelligkeit mit. Sein Tempo ist deutlich höher, als das Maß von Coco sicher und fehlerfrei mitzulaufen. Deshalb wurden im Training selten längere Distanzen im Wettkampftempo gelaufen. In Bezug auf die Lauftechnik war das schnelle Laufen im Wettkampf dann mehr Improvisation als Können, weil der Fokus fast ausschließlich auf dem Hund lag. Wir haben zum Beispiel sehr dezidiert an der Hörzeichenstruktur gearbeitet, damit Coco punktgenau unterstützt werden konnte.

Priorisierung im CaniCross

Sofern eine bestimmte Grundfitness vorhanden ist (30 Minuten Dauerlauf im mittleren Tempo), sehe ich für das CaniCross-Training zuerst den Fokus darauf, dass der Hund kontinuierlich im Zug läuft und dass Überholmanöver reibungslos durchgeführt werden. Dabei sollten beide Varianten geübt werden (überholen und überholt werden). Wer sich sicher sein kann, dass sein Hund sozialverträglich ist und nicht plötzlich die Laufwege kreuzt, kann sich viel besser auf das eigene Laufen konzentrieren.

Bei Hunden mit sehr starker Zugunterstützung leidet häufig die Lauftechnik, was auf Dauer nicht gesundheitsförderlich ist. Da Leandro sehr gute Werte in der Schnelligkeitsausdauer aufweist, kann er das Tempo von Coco problemlos mitlaufen.

Das Training des Line-outs und der Richtungswechsel sehe ich als nachgelagerte Trainingsschwerpunkte ebenso, wenn es darum geht, die Zugkraft des Hundes durch Bikejöring oder Dogscooter-Einheiten zu verbessern.

Die spezifische Ausdauer, also intensiver Tempoläufe, ist eindeutig ein Baustein des Leistungssports. Sie ermöglichen nochmals, die Belastungsgrenze zu verschieben. Allerdings ist das Training sehr erschöpfend. Das Training sollte deshalb in ausgeruhtem Zustand erfolgen und danach muss auch ausreichend Zeit zur Regeneration vorhanden sein. Ansonsten kann das Ganze schnell in Übertraining und in Verletzungen münden.

Gerade im Jägerstart spielen Überholvorgänge eine wichtige Rolle. Der Hundeführer kann sich mit einem Hund, der auch bei Überholmanövern in der Spur bleibt, viel besser auf seine eigene Leistung konzentrieren.

Zur Situation des CaniCross-Trainings bei Leandro und Coco

Inzwischen läuft Coco konstant im Zug. Sobald das Startsignal erfolgt, läuft sie nach vorne. Als eher leichter, kleiner und kompakter Hund hält sich ihre absolute Zugstärke in Grenzen, zudem variiert ihre Zugstärke während der Läufe etwas.

Das hängt zum einen davon ab, dass sie bei einem Tempo von unter 2:40 Min. an ihre Grenzen kommt, noch unterstützen zu können. Das sind immerhin fast 25 Km/h. Ein größerer Hund macht deutlich weniger Galopp-Sprünge im gleichen Tempo. Zum anderen ist der Neigungswinkel der Zugleine vom Hüftgurt zu Coco mit geringerer Schulterhöhe größer, dadurch sinkt die Unterstützungswirkung.

In der Praxis wirkt sich das wie folgt aus: Leandro machte ein Trainingsprogramm mit 5 x 300 m. Die letzten beide Läufe absolvierte er mit Coco und diese Läufe waren nur 5 Sekunden schneller als die Läufe ohne Hunde. Umgerechnet auf die 1.000-m-Distanz ist das eine Unterstützungsleistung von rund 20 Sekunden. Das ist ein guter Wert, es gibt aber Teams, die deutlich mehr von ihrem Hund profitieren.

Um sich in diesem Bereich zu verbessern, hätten wir die Trainingsschwerpunkte deutlich verlagern müssen. Wir sprechen hier nicht mehr von der Optimierung von Basics. Deshalb haben wir uns dagegen entschieden, diesen Aspekt weiter auszureizen und haben das Zugtraining mit Hund auf ein bis zwei Trainingseinheiten im Monat zu beschränkt. Das ist ausreichend, um das Niveau zu halten.

Dass Leandro das Tempo wiederum sehr gut mitlaufen kann, hat einen wichtigen Nebeneffekt, weil er dadurch seinen Bewegungsapparat schont. Die seitlichen Armbewegungen zum Ausbalancieren des Tempos sowie das Aufsetzen über die Ferse mit den entsprechenden Stoßbelastungen auf den Rücken bei Hunden, die extrem im Zug unterstützen, sieht man bei ihm nicht.

Das Sprint- und Hürdentechniktraining ist regelmäßiger Bestandteil meiner THS-Seminare. Es sollte analog der Leistungsentwicklung des Hundes mit in das Training eingebaut werden.

Der S-VK sollte als Mehrkampf verstanden werden. Der Rahmen für das Training wird in erster Linie vom Leistungsstand des Hundes und der Fitness des Hundeführers bestimmt. Bei der Gewichtung der Trainingsbereiche geht es darum zu prüfen, wo kann mit gegebenem Einsatz – also die Anzahl der Trainingseinheiten pro Woche – der größte Fortschritt erzielt werden.

Allerdings lassen sich die Trainingsbereiche nicht beliebig miteinander verknüpfen. Nicht nur der Hund benötigt Zeit, Impulse zu verarbeiten, sondern auch der Mensch. Deshalb sollte nach Wichtigkeit priorisiert, sukzessive Baustein für Baustein in das Training integriert werden.

Zum Beispiel erhöht sich im Hürdenlauf mit größerer Sicherheit des Hundes das Lauftempo. Hat der Hundeführer eine schlechte Hürdentechnik, erhöht sich die Gefahr von Stangenabwürfen. Es wäre dann wichtiger, zuerst die koordinativen Fähigkeiten des Menschen zu verbessern, bevor das Sprinttraining forciert wird. Eine gute koordinative Grundlage ist dagegen eine gute Basis für das Sprinten.

Eine Bemerkung möchte ich zum 1.000-m-Lauf in den Sommermonaten machen. Wir haben ein paar Hundesportler in der Community, die das Langstreckentraining von Spezialisten mit einem Kurzstreckentraining von Mehrkämpfern in einen Topf werfen und sich auf Grund zu hohen Temperaturen über mangelndes Training und zu späten Startzeiten bei Meisterschaften beklagen. Das passt in meinen Augen nicht, denn

> das CaniCross-Training ist nur ein Teilbereich. Ist dieses Training eingeschränkt, gibt es noch viele weitere Bereiche, die trainiert werden können.

> mit dosierten Belastungen und einem Training zu Randzeiten bzw. im Schatten lassen sich Hunde durchaus auch auf wärmere Temperaturen vorbereiten. Die pralle Mittagssonne mit Temperaturen über 30 Grad sollten sicherlich gemieden werden.

> Teams, die im absoluten Grenzbereich agieren, sollten auch die Fähigkeit haben zu wissen, wann sie den Hund überlasten und in der Lage sein, den Hund aus dem Zug zu nehmen. Seither habe ich nur Läufer gesehen, die komplett übersäuert und erschöpft ins Ziel liefen.

> es gibt durchaus auch Teams, die, da sie kleinere Hunde haben, nicht auf außergewöhnliche Zugleistungen des Hundes zurückgreifen können. Deren Nachteil wäre eher diskussionswürdig