Erlernen des Hindernislaufs

Der in Deutschland entwickelte THS hatte ein Ziel: Den Hundesport für alle einem großen Hundehalterkreis zu erschließen. Die neue Denke über den Sport mit dem Hund – bis dahin gab es nur die häufig mit Gewaltmethoden verbundene Schutzhunde-Ausbildung – öffnete total neue Perspektiven. Spielerische, bewegungsbetonte Elemente, für alle Hunde relativ einfach machbar, entwickelten sich zu geschätzten Türöffnern. Diese Entwicklung ging einher mit gesellschaftlichem Wandel: Nun bereicherten Frauen, Kinder und Jugendliche die Hundesportplätze.

Das 1. Freizeit-Turnier für Hunde aller Größen feierte 1972 eine in der Fachwelt viel beachtete Premiere und war eine Art Urknall für den deutschen Hundesport.

Das muss man wissen

Der THS (Deutschland) und Agility (England) wurden Anfang der 1970-er Jahre zeitgleich und unabhängig voneinander entwickelt. Sie haben unterschiedliche Ansätze: Agility orientiert sich am Springreiten, der THS an der Leichtathletik. Impulsgeber für den neuen Hundesport war Max Sutter, swhv- /dhv-Präsident. Die kreativen Kräfte, die alle heutigen THS-Laufdisziplinen schufen, waren Hans und Rudolf Heidinger (HSV Mühlacker).

Der THS war vom Beginn an vom Hindernislauf geprägt. Mit dieser Einsteiger-Disziplin wollen wir uns zuerst befassen.

Szenario: Der Vierbeiner hat eine Ausbildung in der Welpen- und Junghunde-Gruppe durchlaufen, er ist auf einem guten Weg.

Durch die in gerade Linie angeordneten Hindernisse bekommt der Hund eine hohe Geschwindigkeit. Immer wieder lässt er Hindernisse aus, dreht seine Kreise und kehrt irgendwann zu seinem Chef zurück.

Generell gilt: Funktioniert die Kommunikation Mensch-Hund, ist alles andere ein Kinderspiel. Das heißt, die Hindernisse dürfen nicht im Mittelpunkt stehen, sondern der Team-Partner Mensch. Deshalb wird der Hund nach dem Überspringen eines Hindernisses, sofort hergerufen und in entgegen gesetzter Laufrichtung bestätigt. Somit ist das Übungsziel die Belohnung durch Beute oder Futter und nicht das Überspringen eines Hindernisses.

Beim jungen Hund wird mit Leine gearbeitet. Die Leine ist dabei als verlängerter Arm zu sehen, der dem Hund Sicherheit und gleichzeitig Hilfestellung gibt, wenn er ein Hindernis ausgelassen möchte.

Wichtig: die Leine sollte beim Überspringen, Landen oder dem anschließenden Heranrufen immer locker durchhängend sein. Der Hund wird über Stimme und Körpersprache gesteuert und nicht durch den Ruck an einer Leine.

Die Höhe der Hindernisse sollte immer auf die körperliche Entwicklung der Hunde angepasst sein. Wird erst nach der Junghundeausbildung (> 12 bis 15 Monate) mit dem Gerätetraining begonnen, können die Übungen gleich ohne Leine ausgeführt werden, weil der dafür notwendige Basisgehorsam bereits erlernt wurde.

Teilschritt für Teilschritt die Lernkette aufbauen

Nachfolgend formulierte ich Tipps, wie du möglich fix und spaßbetont in der THS-Einsteigerdisziplin Hindernislauf zu motivierenden Erfolgserlebnissen im Miteinander von Mensch und Hund kommst.

Exemplarisch für das Einüben aller THS-Geräte steht die nachfolgende Auflistung einer Lernkette, gebildet aus vielen Lern-Teilschritten. Primäres Ziel im Trainingsaufbau des Hundes: Das Geräte-Training tunlichst fehlerfrei gestalten. Motto: Anlernen – festigen – zur Wettkampfreife führen.

Dass das parallele leichtathletische Training für die Wettkampfreife des Hundeführers, der Hundeführerin (HF), nicht versäumt wird, dafür sind Laufeinheiten in den Trainingsplan einzubauen.

Tempo steht nicht im Vordergrund                   

Das Ausführungstempo des Lernschrittes ist in der Einübungsphase zu vernachlässigen. Eine überhastete und dadurch misslungene Aktion an nur einem der Hindernisse kann ein nachhaltig wirkendes Meideverhalten des Hundes auslösen. Dies verzögert die Verkettung der eingeübten Geräte zur Wettkampfreife ganz enorm.

Deshalb: Der HF muss sich Zeit nehmen. Auch dem Hund Zeit lassen – er muss das Erlernte geistig verarbeiten. Nicht überhastet den zweiten Lernschritt einleiten, bevor der erste verlässlich eingeübt ist. ­­

Nachhaltigen Erfolg beim Einüben der Geräte verspricht ein Zerlegen der Aufgabenstellung der VDH-Prüfungsordnung in Lern-Teilschritte. Begonnen wird mit dem am leichtesten einzuübenden Gerät, anschließend das nächst leichteste wählen. Zum guten Schluss dann das schwierigste Hindernis üben. Dabei wichtig: Das zu trainierende Hindernis aus dem Parcours nehmen (separat aufstellen), um bei Schieflaufen des Lernschrittes keine Verknüpfung des Hundes mit der Hindernisbahn herzustellen.

Ein auf Erfolg ausgerichtetes, systematisches Training ist Hindernis für Hindernis auszubauen. Beginne mit der relativ einfach einzuübenden Hürde. Sie steht als erstes und letztes Gerät in der Hindernisbahn. Maße: 100 cm breit, 50 cm hoch. Empfohlenes Hörzeichen: „Hopp!“.

Die Wettkampfhürde hat eine Höhe von 50 Zentimeter. Für viele Anfänger ist es von Vorteil, mit niedrigeren Hürden einzusteigen.

Und so solltest du bei der Hürde vorgehen:

  • Senke die Einübungs-Hürde auf 20 cm Sprunghöhe ab.
  • Du verinnerlichst nochmals mental den Ablauf des Lernschrittes: Abstand zum Hindernis wählen, Hörzeichengebung, Zeichensprache, Ausführungstempo, Übungsabschluss.
  • Angeleinten Hund aufmerksam machen (Auslöser: HF-Körpersprache und Start-Schlüsselwort für Übungsbeginn). Dein Vierbeiner muss sich unbedingt vor Übungsbeginn voll auf dich konzentrieren.
  • Darauf achten, dass dem Hund Platz für die Sprungausübung bleibt (Hund etwa Mitte Hürde, HF außen rechts).
  • Du kannst auch mit Deinem Hund gemeinsam über die niedrige Hürde springen. Wichtig: im Moment des Absprungs wird das Hörzeichen „Hopp“ gegeben.
  • Lernschritt-Abschluss: Mindestens fünf Meter weiterlaufen, dann Bestätigung durch Futter, Beute- oder Körperspiel, verbales Loben. Auch Clicker-Einsatz als Bestätigung möglich.
  • Festige den Lernschritt durch mehrfaches Einüben. Auf möglichst parallele Ausführung Mensch-Hund achten, Vorausstürmen deines Hundes verhindern.
  • Weiterer Teilschritt: Hürde jetzt eine Stufe höher stellen (auf 30 cm), führe dann gleiche Ausbildungs-Teilschritte wie vorstehend beschrieben aus. Ergo: Du springst zusammen mit dem angeleinten Hund über die erhöhte Hürde.
  • Weiterer Teilschritt: Angeleinter Hund soll jetzt Sprung über die erhöhte Hürde ohne dich ausführen. Du läufst rechts an Hürde vorbei, dabei den Hund durch Sichtzeichen auf Mitte der Hürde halten. Du sperrst im Lauf den Raum zur Hürde seitlich ab, du gibst dem Hund so nicht die Möglichkeit, an der Hürde vorbeizulaufen.
  • Sind die Lernschritte gefestigt – der Hund führt den Sprung an locker geführter Leine auf das Hörzeichen korrekt aus – dann Hund ableinen.
  • Mit dem abgeleinten Hund übst du die Lernschritte wie vorstehend beschrieben ein. Bis die Wettkampfhöhe der Hürde (50 cm) erreicht ist.
  • Bei erforderlichen Korrekturen einen oder zwei Ausbildungs-Teilschritte zurückgehen.

Damit Dein Hund nicht seitlich ausbrechen kann, läufst Du dicht neben der Hürde. Zusätzlich unterstützt Du ihn mit einem Handzeichen.

Die individuellen Möglichkeiten des Hundes sind bei der Lernschrittgestaltung zu berücksichtigen; u.U. müssen weitere Lern-Teilschritte in das Trainingskonzept eingebaut werden.

Das Tunnel als Einzelgerät kann schon von Beginn an trainiert werden.

Analog der Hürde lassen sich später auch die Hindernisse 5 und 6 (Tonne, Durchsprung) trainieren. Zuvor kannst Du noch den Tunnel als Einzelgerät einbauen. Hier braucht der Hund eigentlich nur das Vertrauen durchzulaufen.

Auf Grund ihrer Höhe sollte die Tonne erst relativ spät in das Training mit einbezogen werden.

Geräteparcours

Bevor der komplette Hindernislauf in einer langen Gerade trainiert wird, empfehle ich Geräteparcours in denen Kreisel und Wendungen eingebaut sind. Die genauen Ausführungen hierzu sind in der Trainingsbroschüre zu finden.

Einüben des kompletten Hindernis-Parcours

Im Aufbautraining ist der optimale Abstand zwischen Dir und Deinem Hund zwischen einer halben und einer Hundelänge liegen. So hast Du ihn jeder Zeit im Blick und kannst bei Bedarf korrigieren.

Nun mache ich einen Sprung im Aufbau des Trainings. Tipps in Richtung Einüben des kompletten Hindernislaufs sollen zur Turnierreife des Teams führen.

Mit zunehmendem Alter und mit der im Training an den Hindernissen gewonnenen Sicherheit versucht der Hund meist das Tempo von sich aus zu erhöhen. Höheres Tempo bedeutet aber immer ein höheres Fehlerrisiko. Der Hund entfernt sich (räumlich gesehen) zunehmend aus dem Einwirkungsbereich des Hundeführers, der Hundeführerin (HF).

Empfehlung an alle Turnierhundesportler/innen:

Nicht selten ist die Schnelligkeit des HF verbesserungswürdig. Es wäre doch schön, wenn du mit dem eingeschlagenen Tempo deines Vierbeiners einigermaßen mithalten kannst. Empfehlung: Im Internet findest du zahlreiche kostenlose Trainingstipps, die dir in deinem Sprintvermögen spürbare Fortschritte ermöglichen. Die Mühe lohnt sich, denn bei Wettkämpfen wird die Zeit des zuletzt das Zieltor durchlaufenden Partners gestoppt (Mensch oder Hund).

Die häufigsten Fehlerquellen, die daraus resultieren, sind, dass der Hund entweder ein Hindernis auslässt oder er dreht sich – nachdem er mehrere Meter Vorsprung auf seinen HF herausgelaufen hat – plötzlich nach ihm um und versperrt ihm den Laufweg. Deshalb sollte der Vierbeiner bis ins Ziel immer etwas voraus laufen. Er ist so besser unter Kontrolle zu halten und zu lenken.

Um dies zu erreichen, empfehle ich zuerst den Zieleinlauf zu trainieren. Wichtig ist hierzu, dass die Zielstangen auch im Training aufgestellt sind.

Erst mit Durchlaufen des Zieltores endet der Hindernislauf – und nicht nur für den Hund. Selbst wenn der Hund das letzte Hindernis überquert hat und der HF z.B. erst auf Höhe des Durchsprunggerätes ist, darf der Partner Mensch im Training (und später auch im Wettkampf) vor dem Ziel das Tempo nicht herausnehmen. Der Hund spürt sehr genau, ob sein HF bis zum Schluss das hohe Tempo hält oder verlangsamt.

Das Verlangsamen kann einige Male gut gehen. Aber irgendwann wird  der Hund das Ende des Laufes vorverlegen mit der Folge, dass er das Zieltor oder schlimmer noch, davor stehende Hindernisse und das Zieltor auslässt..

Mit kurzen Hindernis-Sequenzen, wie z. B. Hürde – Zieltor oder Hoch-Weit-Sprung – Hürde – Zieltor, wird gestartet. Sukzessive binde ich die weiteren Hindernisse in meine Trainingsläufe ein. Der Abstand der Hindernisse richtet sich in dieser Lernphase nach den Vorgaben der Prüfungsordnung.    

Sollte der Hund noch sehr wechselhaft in seinem Verhalten sein, ist es von Vorteil, diese Übungen mit dem angeleinten Hund zu beginnen. Erst wenn beim Nehmen der Hindernisse Sicherheit gewährleistet ist, den Hund ohne Leinenhilfe führen.

Die komplette Turnierbahn übe ich im Wettkampftempo erst ein, wenn ich mir sicher bin, dass mein Vierbeiner bombensicher alle acht Hindernisse nimmt und das Zieltor auf der 75 Meter langen Sprintstrecke in vollem Tempo durchläuft.

Belohnung nach dem Zieltordurchlauf

Für die Belohnung nach dem Lauf berücksichtige ich die individuellen Veranlagungen meines Hundes. Dies hängt davon ab, ob mein Hund schneller ist als ich oder ob wir Beide den Hindernislauf parallel absolvieren. Läuft mein Hund parallel, so wird er direkt bei mir belohnt.

Ist mein Hund schneller als ich und läuft vor mir, dann kann ich als Belohnung die Beute durch die Torstangen des Zieles werfen. Alternative: Ich lege den Beutegegenstand vor Beginn des Laufes etwa fünf Schritte hinter das Zieltor.

Beim Trainingsschritt „Beute werfen“ (Achtung: Ist im Wettkampf untersagt) werfe ich diese in gerader Richtung nach vorne. Das Timing für den rechtzeitigen Wurf sollte ich beherrschen. Auch dieser Schritt muss individuell auf den Hund abgestimmt vollzogen werden. Werfe ich die Beute schräg, so kann es passieren, dass mein Hund seitlich am letzten Hindernis und/oder am Zieltor vorbeiläuft. Werfe ich zu früh, das heißt vor dem Sprung über die abschließende Hürde, kommt mein Hund in die Versuchung, der Beute sofort nachzurennen und das zu nehmende Hindernis oder das Zieltor auszulassen. Die Variante „Beute werfen“ garantiert mir in aller Regel einen raschen Lernerfolg.

(Ausführungen Hans Heidinger | 2018)