Gibt es Tierquälerei auch im Hundesport?
Mit der dreifachen Olympiasiegerin Charlotte Dujardin aus Großbritannien wurde 2024 eine der erfolgreichsten Dressurreiterinnen aller Zeiten überführt, tierquälerischen Handlungen an den von ihr trainierten Pferden durchgeführt zu haben. Auch wenn die Untersuchungen dazu noch nicht abgeschlossen sind, wird das Fehlverhalten eindeutig durch Videoaufzeichnungen belegt. Nicht umsonst wurde sie in einer ersten Reaktion von den olympischen Spielen in Paris ausgeschlossen. Kurz nach den olympischen Spielen wurde eine weitere Dressurreiterin, die Mitglied der dänischen Nationalmannschaft ist, ebenfalls auf Grund eines geleakten Videos suspendiert.

Die meisten im THS geführten Hunde würden bei harten Trainingsmethoden so eingeschüchtert werden, dass an Wettkämpfe nicht mehr zu denken wäre.
Das Höher, Schneller, Weiter gilt auch für den Hundesport. Wir machen Wettkämpfe, es gibt Meisterschaften, Sieger und Platzierte und jeder versucht dabei, sein Bestes zu geben. Sport mit Tieren überschreitet dann allerdings Grenzen, wenn das Tierwohl nicht mehr im Mittelpunkt steht. Der Ehrgeiz von uns Menschen kann leider dazu führen kann, diese Grenzen zu überschreiten.

Manchmal stelle ich mir die Frage, wenn scheinbar perfekt laufende Hunde „ihren Teampartner“ überraschend im Stich lassen, ob das die Folge eines überharten Trainings ist.
Diese Vorfälle nehme ich zum Anlass, in diese Thematik etwas tiefer einzusteigen, nicht zuletzt auch deshalb, weil es eng mit meiner persönlichen Vita und der meiner Familie verbunden ist. In der Chronik zu 50 Jahre THS wird Hans Heidinger, der Gründervater dieser Sportart, dabei folgendermaßen zitiert:
Die Zustände vor dem Beginn der Ära „Turnierhundsport“ mit ihren Zwangs- und Gewaltmethoden zeigen auf, welch guten Weg der Hundesport in den letzten 50 Jahren genommen hat:
„Der THS war immer mehr als nur eine Sportart. In seinem Sog veränderten sich die Hundesportorganisationen strukturell und soziologisch und die öffentliche Wahrnehmung wandelte sich ebenso wie der Umgang mit dem Hund und die Erziehungsmethoden.
Über artgerechte Hundeerziehung wird heute nicht mehr diskutiert, sie wird gelebt. Bei Anwendung der früheren Erziehungsmethoden würde sich jeder vernünftige Hundefreund sofort an den Tierschutz wenden und die Leistungssportler aller Sportarten wissen, dass sie ohne Druck und Gewalt die besseren Prüfungsergebnisse erzielen. Bis sich dieses Gedankengut durchgesetzt hatte, war es allerdings ein langer und steiniger Weg.
Der entscheidende Impuls pro artgerechter Hundeerziehung wurde vor 50 Jahren mit dem THS gesetzt. Die Hundesportvereine hatten es auf einmal mit einer neuen Klientel zu tun, weil zunehmend mehr Frauen, Kinder und Jugendliche auf den Übungsplätzen anzutreffen waren. Und sie hatten die unterschiedlichsten Hunde an der Leine, denn endlich gab es eine attraktive Beschäftigung für alle. Das Aufgabenspektrum des THS war von Anfang an auf Spaß und Sport ausgelegt und so wurde durch die Hintertür ein Prozess in Gang gesetzt, der in der flächendeckenden Anwendung moderner Erziehungsmethoden mündete.“
Aus diesem Mindset heraus machte ich mir Mitte der 1990-iger Jahren viele Gedanken darüber, warum es nur wenigen Teams gelingt, auf Meisterschaften ihre Höchstleistung abzurufen, dahingehend viele Teams deutlich unter ihren Vorleistungen blieben. Ich suchte nach einem Schlüssel, der deutlich nachhaltiger die Trainingsleistungen festigen sollte.

Bereits in den 1990-iger Jahren suchte ich nach Lösungen, die die Leine im Training von Anfang an überflüssig machten. Der damals übliche Leineruck musste infolgedessen durch andere Mittel ersetzt werden.
Zu dieser Zeit war es noch üblich, mit dem Hund an einem auf Zug gestellten Halsband durch den Parcours zu laufen und mit einem entsprechenden Ruck den Hund zu korrigieren oder abrupt abzubremsen und ihn unfein in die straffe Leine laufen zu lassen. Der Effekt war bei den meisten minimal, weil im Wettkampf ohne Leine gelaufen wird.
Deshalb hatte ich mir Übungen überlegt, die von Anfang an ohne Leine funktionierten. Der Hundeführer hat dann nur noch Hör- und Körperzeichen, um seinen Hund zu steuern. Das sind aber genau die Mittel, die auch im Wettkampf erlaubt sind. Was ich mir damals nicht bewusst war, war der Nebeneffekt, dass die zu dieser Zeit noch geduldeten Trainingsmethoden mit einem Mal vom Tisch gewischt wurden. Wie nachhaltig das Ganze war, zeigt, dass sich die Methoden zwar über die Jahre verfeinerten, die Grundstruktur aber erhalten blieb.
Einige Jahre später [2003] skizzierte ich dann das Idealbild, dass das Kontrollieren des Hundes auf Grund von Hörzeichen durch die Freude an der gemeinsamen Bewegung in einem synchronen Laufen zum Ausdruck kommen solle. Diese Formulierung war bewusst gewählt und als Ausblick im leistungssportlichen Kontext zu verstehen, in welche Richtung das Arbeiten der Teampartner sich entwickeln sollte. Warum dieser Weg so wichtig war, will ich an zwei Beispielen erläutern, die die Feinfühligkeit unserer Hunde verdeutlichen. Schon Kleinigkeiten können bei unseren Hunden großes bewirken und das kann in beide Richtungen gehen:
In meiner Anfangszeit im THS machte ich in der Startvorbereitung eine Kehrwendung, um die Aufmerksamkeit meiner Teampartner zu erlangen. Für viele Hunde wäre das etwas, das nur einen minimalen Einfluss auf sie hätte, bei Juri reichte diese Kleinigkeit aber schon aus, dass er recht lustlos und nur noch in gemäßigtem Tempo rannte.
Als wir kürzlich im Urlaub waren, beobachteten wir aus der Ferne auf einer BMX-Bahn eine Trainingsgruppe, die zum Aufwärmen über die Bahn joggte. Auch Coco sah diese Gruppe und war sofort in Habacht-Stellung, weil sie vermutete (oder erhoffte), dass sie da gleich mitrennen darf. Ohne die vielen positiven Erlebnisse im Training, hätte Coco darauf so nicht reagiert.

Wenn in höchster Geschwindigkeit auf engem Raum gelaufen wird – wie hier bei einem Linkstor im Slalomlauf – ist das Vertrauen des Hundes in seinen Teamführer eine wichtige Voraussetzung.
Strukturen decken Täter
Auf Grund tierquälerischer Trainingsmethoden (Stichwort Barren) stand der Pferdesport in den 1990er Jahren am öffentlichen Pranger. Infolgedessen wurden mit den ethischen Grundsätzen ein Kodex im Umgang mit den Pferden formuliert. Auf einen Antrag von Hans Heidinger, der über den HSV Mühlacker beim swhv-Verbandstag eingereicht wurde, wurde erstmals eine Fassung auch im Hundesport manifestiert, die am 28. Mai 2000 schließlich vom Deutschen Hundesportverband (dhv) übernommen wurde.
Der ursprüngliche Auslöser war eine Übungsleiterschulung im Schutzdienst, bei der es anschließend zu unliebsamen Auseinandersetzungen in der Bewertung kam, ob die angewendeten Methoden artgerecht und vertretbar waren. Involviert waren Mandatsträger bis in die höchsten Ebenen. Schlussendlich wurden sämtliche Vorwürfe negiert und als falsche Beobachtungen abgetan wurden.
Dass Macht- und Verbandsstrukturen eine unliebsame Koinzidenz bilden können, zeigt nicht zuletzt der Fall Dujardin. Wer so mit Tieren umgeht, dem nehme ich nicht ab, dass das ein Einzelfall war. Dass die Art und Weise, wie sie mit Pferden umgeht, in ihrem Umfeld sonst niemand mitbekommen hat, ist kaum glaubhaft. Das bedeutet, dass keiner ein Interesse daran hatte, solche Machenschaften an die Öffentlichkeit zu bringen. Ich habe auch keine Stimmen gehört, die Dujardin den Rücken stärken. Das Unrechtsbewusstsein muss im Umkehrschluss also schon vorhanden gewesen sein. Dass das mehrere Jahre alte Video erst jetzt geleakt wurde, lässt ebenfalls Rückschlüsse auf die Machtstrukturen zu.
Es geht aber auch eine Nummer kleiner. Aus einem Verein weiß ich um einen Vorfall, dass ein Mitglied in vielen Belangen sich äußerst positiv in den Dienst des Vereines gestellt hatte. Wer ist nicht froh um Mitglieder, die sich zum Beispiel um die Platzpflege kümmern? Der Umgang mit seinen Hunden hat dann schlussendlich zur Trennung geführt, es war aber kein einfacher Prozess.

Richtig konditioniert, ist der Hund in positiver Erwartung, dass er gleich abgerufen wird.
Eindeutigkeit von Situationen
Hunde lassen sich nicht mit Pferden vergleichen, deshalb sind die im Video zu sehenden Sequenzen von Dujardin auf unseren Umgang mit Hunden kaum zu übertragen. Diese nachhaltigen Einwirkungen über einen längeren Zeitraum würden die Beziehung zu Hunden – von Ausnahmen einmal abgesehen – so schädigen, dass an eine sportliche Leistung im gehobenen Segment nicht mehr zu denken wäre.
In Ausnahmefällen kann man in Wettkämpfen unliebsame Situationen beobachten. Zum Beispiel, dass beim Zieldurchlauf eine Leine nach dem Hund geworfen wird, weil der Hund ein Hindernis ausgelassen hat. Sofern es die Richter sehen, werden solche Situationen sofort geahndet. Wobei so ein Vorgang sicherlich als harmlos eingestuft werden kann.
Zur Einordnung will ich aber einen Vergleich zu Begegnungen im Alltag ziehen. Wenn ich zum Beispiel sehe, dass Hundebesitzer ihrem Hund als „Beschäftigungstherapie“ über Stunden hinweg einen Ball ins Wasser werfen, bis er so entkräftet ist, dass er kaum noch Schwimmen kann, dann sind wir im Sport wirklich einen großen Schritt voraus. Im Alltag sind solche Beobachtungen sicherlich nur die Spitze des Eisberges, im Sport geht es tatsächlich um eine Minderheit.
Manchmal frage ich mich, wenn scheinbar perfekt laufende Hunde „ihren Teampartner“ überraschend im Stich lassen, ob das die Folge eines überharten Trainings ist. Das sind aber nicht mehr als Vermutungen ohne Belege. Wenn, dann muss man tatsächlich das Training beobachten. Geschlossene Trainingszirkel zeichnen sich aber gerade dadurch aus, dass niemand von außen reinschauen kann.
Wie schon zuvor angedeutet, unterliegt die Einordnung tiergerecht, hart und überhart auch einem gewissen Zeitgeist. Der vor 30 Jahren tolerierte Leinenruck auf einem auf Zug gestellten Halsband kann gesteigert werden durch ein Stachelhalsband und das wiederum durch ein angespitztes Stachelhalsband. Die Einwirkung erfolgt aber immer über die Leine, sodass der Hund – sofern er das überhaupt verkraftet – natürlich schnell lernt, wenn er unangeleint ist, dass keine Einwirkungen kommen kann.
Eine noch perfidere Stufe sind dann die Teletakt- bzw. Elektrostromhalsbänder. Für sie ist keine Leine mehr notwendig, allerdings waren zu Beginn die Akkus so groß, dass die Hunde auch Bescheid wussten, wann es ernst wurde und wann nicht. Mit der Zeit wurden die Halsbänder leichter, doch auch hier ist ein Unterschied zu einem normalen Halsband von einem Hund wahrzunehmen. Deshalb – bzw. auch, um nach außen den Einsatz entsprechender Halsbänder zu kaschieren – sieht man diese Hunde dann auch außerhalb des Trainings mit breiten Lederhalsbändern. Das heißt im Umkehrschluss aber nicht, dass jeder Hund, der so ein Halsband trägt, tatsächlich mit den entsprechenden Methoden malträtiert wird.
Bei zartbesaiteten Hunden wie zum Beispiel bei unserem Australien Shepherd müsste nur einmal so eine Einwirkung gemacht werden und Coco wäre ein Leben lang traumatisiert. Für sie hat alleine schon die Berührung eines Elektrozaunes ausgereicht, dass sie anschließend unser Haus nicht mehr verlassen wollte, weil in einem Kilometer Entfernung Schafe zu hören waren.
Bei meinem Heimatverein waren Stachel- und Elektrohalsbänder schon immer verboten. Die einzelnen Hundesportverbände haben sich lange schwer getan mit einem Verbot, auch, weil es einflussreiche Personengruppen gab, die Einwände gegen ein Verbot hatten. 2021 wurde endlich auch der gesetzliche Rahmen geschaffen, in dem die Tierschutzhundeverordnung so angepasst wurde, dass diese Art von Halsbändern in Deutschland verboten sind.

Hundesport und Höchstleistungen müssen kein Widerspruch sein!
Umgang mit Vorwürfen
Leider ist es so, dass Heutzutage Vorwürfe auch frei erfunden werden. Nicht jede Anzeige hat einen wahren Hintergrund. Es gibt den treffenden Spruch, dass man sich Neid erarbeiten muss. Und Neid kann zu hässlicher Situation führen, wie ich auch schon persönlich – wenn auch nicht im Kontext des Tierschutzes – erleben musste. Deshalb habe ich auch ein Problem damit, jemanden vorzuverurteilen.
Wenn sich zweifelhafte Situationen abspielen, dann sollte am besten gleich das Handy gezückt werden. Geht der Vorgang zu schnell, um es mit dem Handy einzufangen, ist Zivilcourage gefragt. In diesem Fall würde ich die betreffende Person direkt auf die beobachtete Situation ansprechen: Habe ich es richtig gesehen, dass…? Warum hast Du so gehandelt? Es ist nicht auszuschließen, dass aus der Entfernung Situationen falsch wahrgenommen werden. Es ist aber wichtig, dass die betroffene Person zumindest weiß, dass ein kritisches Verhalten beobachtet wurde.
Im Zusammenhang mit eindeutig rassistischen Äußerungen („Seit wann dürfen Schwarze bei Deutschen Meisterschaften in der Leichtathletik teilnehmen?“) hatte ich im vergangenen Jahr jemanden zur Rede gestellt. Er versicherte mir, dass das nie seine Absicht war. Es klang für mich glaubwürdig. Ob er so etwas nochmals öffentlich sagen würde? Mit ziemlicher Sicherheit nicht, auch wenn das seine Gesinnung wäre. Denn er hat gespürt, dass er beobachtet wird.
Bleibt noch die Frage offen, auf den ich zugehen soll, wenn ich entsprechende Verstöße beobachte. Teilweise haben die Hundesportverbände Tierschutzbeauftragte. Außerhalb von Wettkämpfen – hier wäre es der Leistungsrichter – wäre das für mich der erste Kontaktpunkt, auf den ich zugehen würde. Ansonsten würde ich mir das Organigramm des jeweiligen Verbandes anschauen und den geeignetsten Ansprechpartner heraussuchen.