Aufwärmen des Hundes | Christiane Gräff
Während meiner langjährigen intensiven Arbeit mit vielen Sporthunden, deren Besitzern und Trainern musste ich die leidvolle Erfahrung machen, dass die Verletzungshäufigkeit bei Sporthunden in den vergangenen Jahren enorm zugenommen hat. Viele Hunde zeigen schon in jungen Jahren massive Überlastungsschäden an Wirbelsäule und Gelenken. Wirkungsvolle Hilfe kann hier aus meiner Sicht die Sportphysiotherapie leisten.
Die Sportphysiotherapie befasst sich mit der Therapie und Rehabilitation von Sportverletzungen, der Trainingslehre und der Vorbeugung von Verletzungen und Überlastungsschäden. Letzteres kann schon mit einem gezielten Warm up und Cool down unterstützt werden. Ich hoffe, Ihnen mit diesem Beitrag verständlich und anschaulich erklären zu können, welche Bedeutung das Aufwärmen für den Sporthund hat und welche Punkte für ein wirkungsvolles Training aus meiner Sicht ganz besonders zu beachten sind.
1. Warum ist das Aufwärmen im Hundesport so wichtig?
Durch ein sinnvolles, sportorientiertes Aufwärmen und Abwärmen kann zum einen die Leistungsfähigkeit bzw. Leistungsbereitschaft des Sporthundes gesteigert werden, zum anderen wird eine optimale Verletzungs- und Überlastungsvorbeugung erzielt.
Beim Aufwärmen müssen wir zwischen zwei Arten des Aufwärmens unterscheiden:
1. Allgemeines Aufwärmen
2. Spezielles Aufwärmen
(Vgl. hierzu Abb. 1: Physiologische Auswirkungen)
2. Wie funktioniert das allg. Aufwärmen und welche direkten Auswirkungen sind damit verbunden?
Das allgemeine Aufwärmen sollte Übungen enthalten, die der Erwärmung großer Muskelgruppen dienen, z.B. Einlaufen mit Lockerungs- und Stretchingübungen. An der Stelle möchte ich darauf hinweisen, dass sich Massagegriffe weniger zum allgemeinen Warm up eignen, da durch eine Massage die Durchblutungserhöhung nur um das 1,5 – 2,5fache ansteigt, während durch aktive Übungen eine 5 – 6fache Durchblutungserhöhung in der Muskulatur erzielt wird.
Welche Auswirkungen hat nun das allgemeine Aufwärmen (Warm-up)?
> Vorbereitung des cardiopulmonalen Systems, d.h. das Herz-Kreislaufsystem wird durch Steigerung der Atem- und Herzfrequenz auf Arbeitsniveau gebracht, somit wird die Startverzögerung so gering wie möglich gehalten, der Sporthund ist von Beginn an voll leistungsbereit.
> Erhöhung der Körperkern- und Muskeltemperatur. Durch ca. 10 minütiges Traben steigt die Körperkerntemperatur durch die Arbeit großer Muskelgruppen und die damit verbundene Wärmeproduktion um ca. 1,0 – 1,5°C, somit wird eine optimale Betriebstemperatur erreicht.
Das allgemeine Warm up hat allerdings nicht nur positive körperliche Auswirkungen! Sie werden feststellen, dass damit auch im psychisch-geistigen Bereich positive Veränderungen herbeigeführt werden können. Zum einen führt das Aufwärmen zu einer erhöhten Wachsamkeit, bedingt durch Aktivierung der Formatio reticularis, einer zentralen Struktur im Rautenhirn. Zum anderen können Übererregungs- bzw. Hemmungszustände positiv beeinflusst werden, d.h. nervöse hyperaktive Hunde können etwas „heruntergefahren werden“, während phlegmatische Hunde etwas angeregt werden können.
3. Das allgemeine Warm-up trainieren
Das allgemeine Aufwärmen sollte ca. 10 – 15 Minuten. durchgeführt werden. Wie ich schon erwähnt habe, stehen hier das Einlaufen (Schritt und Trab) und die aktiven Lockerungs- und Stretchingübungen im Vordergrund. Einige Beispiele von aktiven Lockerungs- und Stretchingübungen finden Sie in den Abbildungen 2 bis 5.
4. Das spezielle Aufwärmen stärkt zusätzlich Physis und Psyche
Beim speziellen Aufwärmen steht das Einspielen der Bewegungsautomatismen auf den sportartspezifischen Bewegungsablauf durch artverwandte Bewegungsabläufe im Vordergrund. Gerne stelle ich Ihnen einige Beispiele vor:
Der Slalom im Agility kann vorbereitet werden, z.B. durch Slalomübungen (zwischen den Beinen hindurch) oder durch schnelle 360° Drehungen. Die Wendungen und schnellen Stopps können mit einem Reizangelspiel simuliert werden oder mit einem Kongspiel. Im VPG ist besonders die Halswirbelsäule gefährdet. Diese sollte im speziellen Aufwärmen gezielt auf die Belastungen vorbereitet werden. Bewährt haben sich dosierte Beute- und Zerrspiele mit vielen Wendungen. Sprünge können an aufgestellten Übungsgeräten vorbereitet werden. Beim Speziellen Aufwärmen sollten auch rumpfstabilisierende Übungen niemals fehlen, da nur Hunde, welche im Rumpf stabil sind, mit den Extremitäten schnelle, gezielte, motorisch anspruchsvolle Bewegungen ausführen können (siehe auch Abb. 6 bis 10).
Das spezielle Aufwärmen sollte nach ca. 5-10 Minuten abgeschlossen sein. Beendet wird das Aufwärmen mit 2-4 Steigerungsläufen. Dabei ist darauf zu achten, dass Steigerungsläufe über eine Distanz von ca. 100 m durchgeführt werden. Begonnen wird mit langsamen Traben und am Ende sollte der Sporthund ungefähr 90% seiner maximalen Geschwindigkeit erreichen. Da dies wohl die meisten Besitzer nicht leisten können (;-)), kann nach ca. 70 m ein Ball geworfen werden, dem der Sportler dann hinterher jagt. Siehe auch Empfehlungen in Abb. 11.
Oftmals ist es jedoch aus Platzgründen für den Besitzer des Hundes nicht möglich, ein Aufwärmprogramm in diesem Umfang vor dem Wettkampf durchzuführen. Für die Gesundheit des Sporthundes wäre es allerdings wünschenswert, den Tieren und ihren Besitzern künftig verstärkt einen Aufwärmplatz zur Verfügung zu stellen – im Pferdesport wird dies schon seit Jahren erfolgreich praktiziert.